Think Manhattan with a Scottish accent: die neuen Metropolen des Ex-Brexit-Island

Schock unterm
Schottenrock

Junge Designer mischen die ehrwürdigen Highland-Kapitalen auf. Nach „Brexit“ noch mehr als sonst. Denn die Mehrheit der schottischen Wähler will in der EU bleiben. Schottlands Wirtschaft ist breit und gesund aufgestellt. Das Ziel ist glasklar: nach vorn. Auch im Design: denn schottische Gestaltung ist alles andere kleinkariert, sondern cool: „Think Manhattan with a Scottish accent!“

Wie ein Strumpfband zieht sich die Royal Mile zwischen dem trutzburgleichen Castle und Palace of Holyroodhouse, Queenies Timeshare, durch das alte Edinburgh. Im Palast wird die 90jährige Monarchin nicht oft gesehen, auch wenn Edinburgh Kapitale ist, seit 1999 ein eigenes, schottisches Parlament konstituierte, sich nach Brexit gänzlich neue Wege überlegt und mit Banken, Stadtpalästen und Designhotels London längst dicht auf den Fersen ist. Schottland versorgt die Welt mit Whisky aus den Highlands, Essen und Trinken führt die Exportliste an. Rund 15 Millionen Besucher aus dem In- und Ausland kommen jährlich und lassen etwa 4 Millionen Pfund im Land. Die Gastronomie und Shopping-Szene boomt und trotz des jüngst abgeflauten Pfundes lockt der Mix aus Moderne und Tradition immer mehr junge Designer in die Stadt.

Besuch auf der Royal Mile, der königlichen Flaniermeile, an der sich windschiefe, mittelalterliche Häuser aus grauem Granit wie an einer Perlenkette reihen. Hier blüht die Souvenirindustrie und das, was man zwischen Soest und Seoul für Schottland hält:  Dudelsäcke, Whisky- und Kilts – größtenteils für Billiglöhne in Indien hergestellt.
Howie Nicholsby pfeift durch die langen Zähne, der 36jährige Schotte ist Sohn des traditionsreichen Kiltmachers Geoffrey Tailor und seine Familie hält nichts von den Billigimporten, von der Tradition indes viel. Howies pralle Waden stecken in leichten Armyboots, statt Jeans trägt er einen knielangen Kilt im Militarylook, dazu einen Elton-John-reifen Schmetterlings-Blazer. Howie entwirft Kilts fürs 21. Jahrhundert und gehört zu den etablierten, schottischen Designern, die nicht mit der Tradition brechen, sondern mit ihr experimentieren. So sind Howies Schottenröcke nicht für die alten Clanchiefs, sondern für die jungen Wilden gemacht, bestehen aus schwarzem Leder, Seide oder PVC, und hängen im Kleiderschrank von Vin Diesel und Robbie Williams. „Der Kilt ist ein bequemes Kleidungsstück,“ findet Howie,  schlendert lässig über die Royal Mile, Pilotenbrille auf den verschlafenen Augen, Glimmstengel zwischen den Zähnen, „ich hatte in New York eine Jeans an, sie sah sexy aus, war aber verdammt unbequem.“ Howie steckt seit Kindesbeinen an im Kilt und dabei blieb es. Heute schätzt er neben Tragkomfort noch weitere, unschlagbare Qualitäten: „Er ist perfekt auf Reisen,“ sagt er und kann sich das Grinsen kaum verkneifen, „man ist nie allein. Die leichteste Kontaktaufnahme funktioniert über den Kilt!“ Inzwischen exportiert er die kniebetonten Stücke bis nach New York. Seine Empfehlung fürs Drunter? „Ein Klischee – man trägt genau das gleiche wie unter einer Jeans. Wer will schon wie ein Pinguin vereisen?“ (…) Infos: Schottland-Schwerpunkte von 2002-2016(Kulinarik, Kultur, versch. Hotels, u.a. in: Elle Decoration, WDR, Die Zeit, Handelsblatt, Wirtschaftswoche). Produktion der Bücher „Schottland“ Polyglott, und Marco Polo.